Blind Guardian live in Stuttgart

Zum 30. Geburtstag spielten die blinden Gardinen am 6. September im LKA/Longhorn (erstmals seit 1998). Zu Beginn gab es nette Homevideos von 1992 inkl. Thomen, aber es zog sich und die Stimmung war verhalten. Als es schließlich mit “Time What Is Time” losging, verschwand aller Unmut. Der Sound brauchte zwei Minuten, bis alles eingepegelt war, dann gab es die Vollbedienung. Das Publikum war dem Anlass angemessen eher älter, mit unzähligen Blind-Guardian-Shirt-Motiven, die meisten davon verwaschen. Man sang lauthals mit, ein paar Headbanger gab’s, aber – ähnlich wie auf der Bühne – herrschte weitgehend Standfußball. Die Dynamik war somit ganz anders als anno 1995 bei meinem ersten Blind-Guardian-Konzert (gleichfalls im Longhorn).

Nach dem ersten Song stellte sich dann die bange Frage, welchen Unsinn Hansi wohl verzapfen würde. Tja, er erzählte, dass er sich über die Rückkehr nach Stuttgart freue, die Stadt möge. (Gähn.) Und dass er hier ja mal aus einer Bank rausgeschmissen wurde beim Versuch, Geld einzuzahlen. “Damals habe ich nicht gestunken.” Der Sicherheitsdienst habe ihn dann aber hinausbegleitet unter dem Beifall der anderen Leute in der Bank. (Oha!)

“Black Chamber” war live richtig genial. Heiter dann im Anschluss: Hansi kündigte das Lied nochmal an. Marcus verdrehte die Augen. Nach “Theatre of Pain” laberte Hansi dann von Tolkien. Marcus wieder so nonverbal: “He, wir sind woanders im Set.” Hansi kam dann mühsam zu Moorcock. “The Quest for Tanelorn” war als einziger “Somewhere”-Song sehr gut und nicht überragend. Nundenn, das Finale mit “Ashes to Ashes”, den “Bard Songs” und dem Titelsong war furios – alles sang mit, kein Moshpit aber frohe Gesichter und ein mächtiger Chor. Die Band war gut eingespielt. Und es gab keine Luft. Hansi: “Hier ist ein wenig wenig Luft.”

Nächster Mitsinghöhepunkt war gleich “Lord of the Rings” – sensationell, die Band hörte man kaum noch. Es folgte grandioses Mischprogramm von alt bis “Violent Shadows” (guter Refrain, dazwischen eher Mittelmaß). Zum Ende “And the Story Ends”, hui. Anschließend kein Durchschnaufen, nein, laute Zugabe-Rufe und Guardian!-Chöre. Applaus, Zugaben.

Nach “Mirror Mirror” gab es einmal mehr frenetischen Jubel; ein Roadie machte ein Foto von der Band vor dem Publikum, Frederik warf Stöcke ins Publikum. Hansi: “Wir lieben euch!” Stuttgart: “Majesty! Majesty!” Wie aus einem Mund. Die Band beriet sich. Hansi beichtete, man habe das Stück auf der Tour bislang vermeiden können und hätte es auch gar nicht geprobt, also vor allem er nicht. Doch sie spielten es, ooooooh Majesty, wunderschön; klar: nostalgisch. Hansi ist nicht mehr jung! Fit war er schon, alle schwitzten, auch auf der Bühne. Ich war sehr glücklich, vor Ort zu sein.

  1. Time What Is Time
  2. Journey Through the Dark
  3. Black Chamber
  4. Theatre of Pain
  5. The Quest for Tanelorn
  6. Ashes to Ashes
  7. The Bard’s Song – In the Forest
  8. The Bard’s Song – The Hobbit
  9. The Piper’s Calling
  10. Somewhere far Beyond
  11. Lord of the Rings
  12. Nightfall
  13. Lost in the Twilight Hall
  14. Violent Shadows
  15. Time Stands Still (At the Iron Hill)
  16. And the Story Ends
  17. Sacred Worlds
  18. Valhalla
  19. Mirror Mirror
  20. Majesty

Bad Religion live in Stuttgart

Seit ich als Teenager anfing, mich für Musik zu begeistern, fürchtete ich Aussagen von Bands im Sinne von “auf dem neuen Album klingen wir erwachsener”. Denn das war stets das Signal für einen (teilweise starken) Qualitätsabfall. Mehr noch, ich wollte (und konnte) mir gar nicht richtig vorstellen, dass die ganzen guten Bands, die es gab, mal erwachsen bzw. einfach alt werden würden.

Obgleich der Punk tot war, reiften Bad Religion im Laufe der Zeit, mal besser, mal schlechter. Insgesamt schaffte es die Band jedenfalls von der 80er-Kult-Combo zu 90er-Stars zu werden und danach – trotz einiger schwächerer Alben – authentisch zu bleiben. Den Vorwurf, immer wieder das gleiche Lied zu schreiben, bekam die Gruppe schon früh in ihrer Karriere zu hören. Das war ihr freilich egal.

Der Reife-, sprich Alterungsprozess war am Montag Abend auch im Publikum zu sehen. Im ausverkauften Longhorn tummelten sich eher ältere Semester und nur ganz vereinzelt gefärbte Haare und Irokesenschnitte. Bestand etwa die Gefahr der Altersmilde? Das unangekündigte, eher unharmonische Vorprogramm (The Rattlesnakes) verzögerte den Auftritt der Hauptband, doch als es kurz nach 21 Uhr schließlich mit “Crisis Time” losging, sprang die Stimmung ruckartig von abwartend relaxed auf begeistert tobend um. Und damit nicht genug. Bei “Stranger Than Fiction” zeigte sich, dass die Alben aus den 90er-Jahren offenbar zu den beliebtesten gehörten. Neben erwartbaren Klassikern wurden immer wieder großartiger Überraschungen eingestreut, meine persönlichen Highlights waren dabei “Skyscraper” (!), “Dearly Beloved” und “Against the Grain”. Gut, letzteres war vielleicht auch deshalb herausragend, weil es eine klitzekleine Verschnaufpause bot. Denn Sauerstoff war schon bald Mangelware in der Halle. Wie sollte es auch anders sein, wenn die komplette Menge von der Bühne bis zum Mischpult bei “21st Century (Digital Boy)” in Bewegung war? Die während des Auftritts konsumierten Getränke wurden umgehend in Schweiß verwandelt. Nicht hygienisch, aber großartig!

Greg Graffin verstand es, die insgesamt eher knappen Ansagen herrlich lakonisch rüberzubringen. Beispielsweise hätte die Band schon immer über soziale Ungleichheiten gesungen, wobei sie am Anfang in den untersten 10 Prozent gewesen seien und nun eben – Augenzwinkern – in den obersten. “Sinister Rouge” war toll, “Generator” sowieso. “Punk Rock Song” läutete den Zugabenblock ein, der mit “American Jesus” (“see him on the Autobahn”) bestens beschlossen wurde. Ziemlich genau 90 Minuten lang dauerte das Dauerfeuer aus flotten Punksongs – und für arg viel mehr hätte die Kondition (oder zumindest der Sauerstoff) vermutlich auch kaum gereicht. Fest stand auf alle Fälle, dass Bad Religion auch anno 2016 frei von Ermüdungserscheinungen das machen, was sie am besten können: drei Akkorde in musikalische Begeisterung und akustische Energie verwandeln.

Bad Religion live in Stuttgart - pic by Jutze

  1. Crisis Time
  2. Supersonic
  3. Prove It
  4. Can’t Stop It
  5. Stranger Than Fiction
  6. I Want to Conquer the World
  7. Only Rain
  8. New America
  9. Skyscraper
  10. Modern Man
  11. Turn on the Light
  12. Anesthesia
  13. Flat Earth Society
  14. Against the Grain
  15. God Song
  16. 21st Century (Digital Boy)
  17. Fuck You
  18. Dearly Beloved
  19. Suffer
  20. Recipe for Hate
  21. Come Join Us
  22. Fuck Armageddon… This Is Hell
  23. Los Angeles Is Burning
  24. Do What You Want
  25. Overture
  26. Sinister Rouge
  27. Generator
  28. You
  29. Sorrow
  30. Punk Rock Song
  31. Infected
  32. American Jesus