Mehr ist weniger

Je mehr Käse, desto mehr Löcher. Je mehr Löcher, desto weniger Käse. Daraus folgt: Je mehr Käse, desto weniger Käse. Bei der Lektüre von Parteiprogrammen muss ich öfters an diesen Fehlschluss denken. Denn scheinbar versprechen alle großen Parteien mehr von nahezu allem: mehr Netto vom Brutto, mehr Arbeitsplätze, mehr Rente, mehr Bildung. Diese Pläne und Forderungen kosten gewöhnlich Geld, das irgendwo herkommen muss. Mehr Steuern oder mehr Neuverschuldung sind natürlich ungern gesehen, auch wenn es am Ende – lange nach der Wahl, aber rechtzeitig vor der nachfolgenden – meistens darauf hinausläuft.

Deshalb achte ich beim Lesen der Parteiprogramme insbesondere darauf, wo das Geld für die jeweiligen Vorhaben herkommen soll. Die entsprechenden Stellen sind häufig knapp gehalten, aber doch sehr aufschlussreich. Gerade die Konservativen werden ihrem Namen gerecht und sind bemüht, möglichst wenig Veränderungen am momentanen Zustand vorzunehmen. Die Liberalen streben eine m.E. willkommene Verschlankung und Vereinfachung der Steuer- und Verwaltungsdschungel an. Ihre ambitionierten Pläne wird die FDP als kleiner Koalitionspartner aber kaum umsetzen können. Ähnlich sieht es beim New Green Deal der Grünen aus. Hier gibt es konkrete Pläne zur Weiterentwicklung der hiesigen Joblandschaft, für die sich aber gleichfalls keine breite Mehrheit in der Bevölkerung abzeichnet.

Mir wäre eine grün-gelbe Mischung am liebsten. Es würde schon reichen, wenn jede/r zweite Nichtwähler/in einer der beiden genannten “kleinen” Parteien seine/ihre Stimme geben würde. Dann würde tatsächlich der von vielen geforderte (und zugleich gefürchtete) Ruck durch die Bundesrepublik Deutschland gehen. Und mit etwas Glück würde sich Vernunft noch weiter ausbreiten, wenn Politik plötzlich nicht mehr korrupt und träge, sondern handlungswillig und fortschrittlich wäre.

Beständige Neugier

Dank des Internets hat man es heute einfacher, seinen Wissensdurst zu befriedigen. Als ich vor vielen Jahren in der Schule ein Referat über Quastenflosser halten sollte, war die Recherche mühsam und nicht sehr ergiebig. Seit kleinauf hatte ich viel Zeit in der Stadtbücherei verbracht. Sachbücher über Quastenflosser waren aber rar. Außerdem hatte ich von Literaturrecherche noch herzlich wenig Ahnung, so dass ich am Ende einen bestenfalls mittelmäßigen Vortrag hielt. Ich hatte aber trotzdem einen ersten Schritt getan hin zur selbstständigen Informationsbeschaffung.

Nicht zuletzt durch Wikipedia ist jede Menge Wissen nur wenige Klicks weit weg. Außer einem Internetzugang braucht es aber eben auch die Fähigkeit, Informationen zu suchen, zu filtern und zu verdauen. Von meinem damaligen Referat weiß ich nahezu nichts mehr. Ich weiß inzwischen aber, wie man mit einem Bibliothekskatalog umgeht, wie man einen Index benutzt und wie man die Glaubwürdigkeit von Quellen beurteilen kann. So etwas lernt man insbesondere durch Schulaufgaben wie eben Quastenflosser-Referate.

Es braucht aber noch mehr als Möglichkeit und Fähigkeit: Es braucht Neugier. Was bringen die größten Enzyklopädien, wenn man sich lediglich für das Fernsehprogramm des heutigen Abends interessiert? Was bringt eine schnelle Auffassungsgabe, wenn man lieber in einem Computerspiel Zombies niedermetzelt? Es braucht Neugier!

Aber wie kann man Leute dazu bringen, dass sie auf ihr eigenes Unwissen nicht immer nur mit einem Schulterzucken reagieren? Wie kann man Leute dafür begeistern, nach dem Warum zu fragen? Es hilft sicher, wenn man in jungen Jahren im Fernsehen Löwenzahn und Die Sendung mit der Maus anschaut, statt immer nur Sportschau und Knight Rider. Natürlich beginnt es aber schon früher. Zum Leidwesen aller Eltern neigen kleine Kinder dazu, das Unbekannte erforschen zu wollen. Dieser Drang hilft beim Überleben, weil man dabei lernt und später seiner Umwelt nicht unwissend und somit hilflos ausgeliefert ist.

Wenn man dann irgendwann an den Punkt kommt, an dem klar wird, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, geraten auch andere Ansichten ins Wanken. Man so leicht nihilistisch werden, aber ich halte eine beständige Neugier (wie es im xkcd-Comic so schön dargestellt wird) für viel schöner. Oft ist es auch überraschend und lustig, wenn man diffuses Halbwissen näher beleuchtet und Fragen wie “Wie viele Castor-Behälter befinden sich in Gorleben im Salzstock?” oder “Ist die FDP für eine Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken?” nachspürt.

Wahlprogramm: Arbeitsplätze abbauen

Die Bundestagswahl 2009 steht vor der Tür. Bis es am 27. September so weit ist, werde ich täglich bloggen; nicht unbedingt zu politischen Themen, aber nach Möglichkeit mit einem wie auch immer gearteten Bezug. Zu Beginn gibt es die scheinbar paradoxe Forderung nach Streichung von Arbeitsplätzen.

Sowohl Konservative, als auch Sozialdemokraten neigen dazu, den Erhalt von Arbeitsplätzen mit allen Mitteln zu forcieren. Renate Künast von den Grünen sagt dagegen offen, dass der New Green Deal nicht jeden alten Arbeitsplatz erhalten können wird. Während sich die CDU Stabilität auf die Banner schreibt, streben die Grünen Veränderungen an, die mittel- und langfristig wirtschaftlichen wie auch ökologischen Nutzen haben. Passend hierzu auch Jürgen Trittins Kommentar zur Abwrackprämie.

Bei der Energiepolitik – einem meiner Lieblingsthemen – werden die gegensätzlichen Positionen schön deutlich: CDU/CSU und FDP möchten die Atomenergie als Ãœbergangslösung weiternutzen, während SPD und Grüne den Atomausstieg wie geplant vollziehen wollen. Die Konservativen kämpfen mit allen Mittel dafür, den status quo der letzten Jahrzehnte beizubehalten. Dass beim mit den Energiekonzernen ausgehandelten Atomausstieg bereits die Möglichkeit einer Versorgungslücke einkalkuliert wurde, wird ignoriert. Dass Atomstrom überhaupt nicht zu niedrigeren Strompreisen führt, wird ignoriert. Dass u.a. E.ON Atomenergie und erneuerbare Energien als inkompatibel betrachtet, wird ebenfalls ignoriert. Tatsächlich ist der Erhalt der bestehenden Strukturen und Arbeitsplätze wichtiger als eine zukunftsweisende Energiewende mit entsprechendem Wachstumspotenzial. In nüchternen Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 38.000 gefährdeten Arbeitsplätzen in der Atomindustrie stehen bereits heute 280.000 Menschen gegenüber, die im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind. Die Grünen streben hier satte 200.000 neue Jobs an – und zwar nicht pauschal, sondern mit einem ausgearbeiteten Konzept zur Reform der Energiewirtschaft.

Getreu dem Prinzip “There’s no free lunch” wird eine nachhaltige Energiepolitik also zur Folge haben, dass bestimmte Arbeitsplätze abgebaut werden. Und das finde ich persönlich gut!